Medaillenchancen weiter intakt

Am Samstag ging es zunächst gegen die Schachfreunde des SC Kreuzberg an die Bretter. Ob der ersehnte Sieg gelang, erfahren Sie im nachfolgenden Bericht.

Rainer wählte in seiner Weißpartie gegen Sergey Kalinitschew (2492) eine gewohnt ruhige, positionelle Aufstellung und landete nach der Eröffnung in einer grünfeldähnlichen Stellung. Dabei scheint mir die Kombination von Lb5+ und Tb1 etwas schlaff. Alternativ kam statt 8. Lb5+ 8.Ld3 und einen Zug später a4 bzw. Db3 statt Tb1 in Betracht. Jedenfalls scheint mir der Schwarze nach 14… b5 alle Eröffnungsprobleme überwunden zu haben. Mit dem gierigen 19… Lc3: kommt Schwarz jedoch vom richtigen Pfad ab, statt des natürlichen 19… Ta(e)b8 mit ungefährem Ausgleich. 20… Lb4 ist wiederum recht eigenartig; warum nicht 20… Se5 21. La3 Sc4: mit allenfalls minimalem Vorteil für Weiß, der den schwarzen a-Bauern stets im Auge behalten muß?

Als Schwarz dann nach 25. f3 mit Tae7 statt ef3: 26. Tf3: (Db2 f6) Tae7= die falsche Zugfolge wählt, bietet sich für Rainer etwas unverhofft die Gelegenheit, die Partie mit 26. Db2 zu entscheiden: Das Endspiel nach 26… De5 27. De5: Te5: 28. Le5: Te5: 29. d6 Te8 30. fe4: ist für Weiß glatt gewonnen; die schwarzen a- und c- Bauern spielen keine Rolle. Auch 26… f6 27. fe4: De5 28. Db3 De4: 29. d6+ Tf7 30. Tbd1 rettet Schwarz nicht, schade… Der Remisschluß nach der ausgelassenen Chance ist dann völlig korrekt.

In meiner Partie gegen Steve Berger (2413) überließ mir mein Gegner in einer Katalanisch-Variante, in der Schwarz ohnehin genau spielen muß, um auszugleichen, ein glattes Mehrtempo (Tc1), das sich als sehr nützlich erweisen sollte. Schwarz sollte daher den Tausch auf c4 unterlassen und lieber eine geschlossenen Partieanlage mit 7… c6 bevorzugen, wie z. B. in der Sonntagspartie der Gegner von »Spike«.

Nach 16. Dc3 sah sich Schwarz bereits im Angesicht fehlender Aussichten auf Gegenspiel veranlaßt, Verwicklungen herauf zu beschwören. Die Alternativen sind jedoch auch nicht sehr verlockend: Nach 16… De7 folgt 17. Sc5 und nach 16… Ld5 17. Sfd2 Lg2: 18. Kg2: mit jeweils unangenehmem positionellen Druck, da Schwarz den befreienden Vorstoß c7-c5 nicht durchsetzen kann. Nach 17. Da5 (Partie) c6 18. Dd8: Tfd8: 19. Se1 sähe sich Schwarz ebenso einer langwierigen Verteidigungsaufgabe gegenüber. Die Taktik arbeitet in der Partie jedoch für Weiß: Auch nach 18… Tb8 19. Se5 Tb6 20. Da7 Lg2: 21. Kg2: Dd6 22. Sc5 nimmt der weiße Vorteil bereits bedrohliche Ausmaße an. Später war vielleicht 22… f5 noch der beste Versuch, im Trüben zu fischen: nach 23. ef5: würde Dd8 folgen; besser und ausreichend ist aber 23. ab5: fe4: 24. bc6: Dh5 25. Tc2 e3 26. f4 mit Gewinnstellung. Beachtlich in der Schlußphase der Partie ist, daß der kecken weißen Dame nichts anzuhaben ist.

In der Partie Ray Tischbierek (2459) gegen Sipke wurde zwischen den beiden Haudegen eine seltene Variante des Königsläuferspiels diskutiert, die viel Raum für Kreativität bietet.

Der raumgreifende Zug 9. d4 scheint bereits neu zu sein; es ist jedoch logisch, die Stellung für das Läuferpaar zu öffnen. Längere Zeit scheint mir der Weiße über die etwas besseren Trümpfe zu verfügen. Statt 16. Te1 gefällt mir jedoch 16. Le2 Tc5 17. Tfb1 += besser; ebenso statt 19. Teb1 19. Sd2 Ta5 20. Teb1+= ; ferner statt 20. Sd2 20. e6 Te6: 21. Sd4 Te7 22. Sb3, das Läuferpaar braucht Platz! Schließlich verpaßt Weiß mit 22. Le4 Sg6 23. Le3 eine letzte Möglichkeit, noch etwas Vorteil festzuhalten. Im 26. Zug hätte Weiß langsam mit Schadensbegrenzung durch 26. Sc5 Te1: 27. Te1: Lh3: 28. g3 =+ beginnen sollen. Im 28. Zug kippt die Partie dann endgültig zu Gunsten von Schwarz. Statt dessen war mit 28. c4 cd4: 29. cd5: ba5: 30. Sc5 noch um den halben Punkt zu kämpfen. Nach dem Materialgewinn verwertet »Spike« seinen Vorteil sicher und es zeigt sich einmal mehr, daß er in undurchsichtiger Lage meistens weniger Fehler als seine Gegner macht.

In der Partie von Jan Smeets gegen Vladimir Schilow kam ein Vorstoß-Franzose aufs Brett. 11. b5 stellt wohl einen Verbesserungsversuch gegenüber der herkömmlichen Behandlung mit 11. Lf5: ef5: 12. Sc3 Le6 13. b5 a4 und etwa ausgeglichener Lage dar.

Ursache der schwarzen Probleme ist der Zug 13… Sf5. Besser geschieht hier 13… a4 14. 0-0 g6 15. Sa4: Da7 16. Sc3 0-0 mit weiterhin solider französischer Stellung. Jans »trojanischer« Springer auf c7 behindert das schwarze Spiel in der Partie erheblich. Vielleicht war 18… Dd7 19. 0-0 a4 20. Dg3 Dd2 21. Lc1 (Sd5?! Dd5: 22. e6 f6 23. Db8: Le6: +=) Dd4 22. Le3 Dg4 ein sinnvollerer Verteidigungsversuch, da auf diese Weise nicht die schwarze Dame auf c8 eingeklemmt wird.

Mit 24. Le5 hätte Jan die Partie unspektakulär beenden können und sollen. In der Partie verpaßt Schwarz nämlich mit 26… Td1: 27. Td1: Df8 eine Möglichkeit, die plötzlich zu einer völlig unklaren Lage geführt hätte. Als Schwarz auch die Gelegenheit ausläßt, mit 28… Le8 noch Widerstand in klar schlechterer Stellung zu leisten, ist die Partie gelaufen.

In seiner Partie gegen Davit Shengelia (2547) wählt Predrag gegen dessen Tartakower – Damengambit mit 7. Lf6:/ 9. a3 und 10. h3 eine eher seltene Aufstellung, die leider für einen Eröffnungsvorteil nicht ausreichte. Gleichwohl wählt Weiß später mit 17. Sb4 einen recht ehrgeizigen, aber wohl zweifelhaften Zug, statt sich mit 17. Sc5 Lc6 18. b4 oder 17. Se5: Le5: 18. Lf3 Tb8 19. Tc2 d4 20. ed4: jeweils mit Ausgleich zu bescheiden. Zu nennenswertem Vorteil kommt Schwarz jedoch erst, als der weiße Springer mit 22. Sc2 seine Odyssee in die falsche Richtung fortsetzt. Nach dem natürlicheren 22. Sbd5 Lc3: 23. Dc3: Dd5: 24. Lf3 Dd7 25. Lb7: Db7: 26. Db2: stünde Schwarz allenfalls minimal besser. Dabei ist zu beachten, daß Weiß 22… Le5 mit 23. Ld7! b4 24. ab4: ab4: 25. Sb1 kontern kann (+=). In der Partie geht Schwarz an der gewinnbringenden Möglichkeit 24… h5! vorbei. Man sehe: 25. Lf3 Lf3: 26. gf3: Sd3 27. Tcd1 Sf2: -+.

Ärgerlich, daß Predrag seinerseits mit 29. gf3: Td3: 30. Tc3 Ted8 31. Tc6 =+ aller Wahrscheinlichkeit nach die Partie hätte retten können. Nach 29… Le2 ist es dagegen sofort aus.

In seiner Partie gegen Thomas Luther (2532) hat Daniel von seinem »Recht« Gebrauch gemacht, auch einmal eine von der Partieanlage weniger gelungene Partie zu spielen.

In einer modernen Interpretation der sizilianischen Kan-Variante legt sich Daniel m. E. durch 8… Sc6 zu früh für eine Entwicklung des Damenspringers fest. Der Springer sollte dieses Feld grundsätzlich erst dann betreten, wenn Weiß Anstalten macht, mit a4-a5 am Damenfügel aktiv zu werden. Zweckmäßiger und flexibler sollte daher 8… Sf6 oder 8… b6 geschehen. Statt 11… Se5 gefällt mir Sd4: 12. Ld4: 0-0 mit normaler Stellung besser. Endgültig überspannt Schwarz den Bogen jedoch erst mit 13… Kf8 gefolgt von 14…h5. Insgesamt erscheinen mir die sich daran anschließenden Versuche, ein Spiel am Königsflügel aufzuziehen unrealistisch. Mit 13… Dd7 14. Dd7:+ Sed7: 15. f3 Tc8 16. a4 Se5 17. b3+= ließ sich dagegen der schwarze Nachteil durchaus noch begrenzen. Nach dem etwas seltsamen Manöver 15. Sd1/16.b4 bot sich für Schwarz immer noch mit 16… bzw. 17… a5 die Möglichkeit, die weiße Initiative einzudämmen. Im weiteren Verlauf steht Schwarz m. E. nach 21. a5 strategisch auf Verlust.

Damit steht es zur Zeitkontrolle 3½:2½ für uns. Dabei hatte Jan Werle ein leicht besseres und Artur ein klar besseres Endspiel auf dem Brett, so daß der Mannschaftssieg bereits sehr wahrscheinlich war.

Als nächstes endete dann auch die Partie von Jan remis. In dieser Partie wurde eine moderne Nimzowitsch-Indisch-Variante mit 4. Dc2 und 5. e4 diskutiert. Mit 12… Ld7 wählt Jan einen interessanten und wenig gespielten Zug, auf den Weiß mit 13. Le3, was den Bauern e5 ungedeckt läßt, eher zweifelhaft reagiert. Statt dessen hätte 13. Le2 Weiß durchaus Chancen auf Eröffnungsvorteil eröffnet. Wenig später ist nach 17… De5: klar, daß nur noch Schwarz auf Gewinn spielen kann. Die ungleichen Läufer und der Stützpunkt auf d4 bergen jedoch ein nicht unerhebliches Remispotential. Eine gute Chance, den Vorteil auszubauen, läßt Jan mit mit 35… Kf7 statt La4 gefolgt von Lb5-c4 verstreichen. Ebenfalls war 37… dc4: der Partiefortsetzung vorzuziehen; Möglicherweise hat sich Jan jedoch kurz vor der Zeitkontrolle verrechnet: nach 42. Dd5: hat Schwarz keinen Mattangriff. Der Remisschluß ist alsdann unausweichlich.

Artur zeigte in seiner Partie gegen Michael Richter (2421), wie Schwarz im Damengambit die Karlsbad-Struktur behandeln kann. Im 9. Zug scheint mir aus weißer Sicht 0-0 etwas genauer als der Partiezug, da Schwarz nun keinen nützlicheren Zug als c6 hat (Sf8 10. b4!).

Im übrigen dürfte es der Weiße mit seiner Prophylaxe etwas übertreiben, als er h3, a3 und Sa2 zieht. Als Weiß dann endlich doch den Vorstoß e3-e4 durchsetzt, nutzt Artur die weißen Felderschwächen am Königsflügel mit Sh5 aus.

23… b4 erscheint mir jedoch unnötig. Mit 23… Lf2:+ 24.Tf2: b4 könnte Schwarz die Vorteile seiner Stellung ohne Materialopfer festhalten. Später hätte Weiß m. E. die Partie mit 30.a4 oder 30. Dc2+ Kh7 31. Dc2+ Tg6 32. Tb1 halten können statt die Qualität zurückzugeben. Das Turmendspiel mit Mehrbauern und aktiver Stellung bietet dagegen gute Gewinnchancen, die Artur schließlich mit ausgezeichneter Technik zum Sieg führt.

Als Zeichen für eine gute Saison werte ich bereits jetzt den Umstand, daß wir in diesem Kampf die beiden Niederlagen an den Spitzenbrettern ohne weiteres verkraften konnten. Vielleicht ist Solingen auf dem Weg zu alter Stärke ja schon ein gutes Stück vorangeschritten?!

Michael Hoffmann