Glänzender 5. Platz in Bilbao

Die gut gelaunte Solinger Delegation: Herbert Scheidt, Sandipan Chanda, Jörg Wegerle, Oliver Kniest, Alexander Naumann, Markus Ragger, Markus Schäfer, Erwin L’Ami und Mads Andersen.
Die gut gelaunte Solinger Delegation: Herbert Scheidt, Sandipan Chanda, Jörg Wegerle, Oliver Kniest, Alexander Naumann, Markus Ragger, Markus Schäfer, Erwin L’Ami und Mads Andersen (v.l.n.r.)

Dank der wohl stärksten Turnierleistung konnten unsere Eurofighter in der Schlussrunde die ungarische Mannschaft von VSE Haladas mit 4½:1½ bezwingen, wobei Markus Schäfer, Markus Ragger und Mads Andersen für die vollen Punkte sorgten. Da auch die anderen Begegnungen durchgängig in unserem Sinne ausfielen, konnte am Ende mit 8:4 Zählern ein glänzender 5. Platz beim Europapokal verzeichnet werden, der nicht nur vier Plätze besser als unsere Setzlistenplatzierung ist, sondern auch das beste Resultat einer deutschen Mannschaft seit vielen Jahren darstellt.

Es ist allgemein bekannt, dass insbesondere in Mannschaftsturnieren nach Schweizer System der letzten Runde eine eminent wichtige Bedeutung zukommt. Daher waren wir nach dem gestrigen Unentschieden gegen Hohenems mit der Auslosung für die Schlussrunde sehr zufrieden: Durch die Punkteteilung gegen die Österreicher wurde ein absolutes Topteam wie SOCAR, Malakhite etc. vermieden und die an Position 13 gesetzte Mannschaft von Haladas VSE stellte durchaus eine lösbare Aufgabe dar. Folglich ging die gesamte Solinger Delegation hochmotiviert in die letzte Runde, um mit einem Sieg den aktuellen 9. Tabellenplatz noch ein wenig verbessern zu können.

Lediglich Alexander Naumann musste sich dabei aufs Daumendrücken beschränken, da er aufgrund einer familiären Verpflichtung bereits am Samstag Vormittag abreisen musste. Alex hatte nicht nicht nur ein  grundsolides Turnier mit 4½/6 gespielt, sondern sich am Vorabend zudem noch im letzten Akt eines über die gesamte Woche andauernden heroischen Duells mit Markus Ragger die inoffizielle Backgammon-Weltmeisterschaft mit 21:20 gesichert, so dass er sehr zufrieden die Heimreise antreten konnte.

Zu Hause erlebte er dann bei der Internetübertragung live mit, wie sein Ersatzmann Markus Schäfer mit den schwarzen Steinen gegen FM Laszlo Pargel (2224) in einem Tarrasch-Franzosen bereits frühzeitig eine Qualität gewann und nach nur 25 Zügen die wichtige Führung erzielte. Bei Erwin L’Ami entstand gegen den ruhigen Italienisch-Aufschlag von IM Miklos Nemeth (2494) überraschend schnell eine sehr scharfe Position, die sich jedoch wie so häufig bald in einem weißen Dauerschach auflöste.

Markus Ragger hatte nach seinem Start mit 2/2 in den letzten vier Runden unter seinen Erwartungen agiert und war daher sehr ambitioniert, gegen GM Robert Ruck (2572) dem Turnier noch einen positiven Abschluss zu geben. In einem damenindischen Petrosian-System hielt Markus den schwarzen König unter Bauernopfer im Zentrum und verstärkte systematisch den positionellen Druck, bis sich Ruck bei anbrechender Zeitnot suboptimal verteidigte, so dass Markus ein unwiderstehliches Freibauernpaar erhielt und das investierte Material gewinnbringend mit Zinsen zurückerhielt. Damit war der Kampf bereits in höherem Sinne gewonnen, denn Jörg Wegerle verwaltete gegen Attila Csonka (2339) ein minimal besseres Damenendspiel, nachdem er in einem seltenen System gegen die Caro-Kann-Verteidigung stets minimalen Vorteil besessen hatte. Jörg wartete noch die Zeitkontrolle ab und konnte dann guten Gewissens auf jedes Risiko verzichten und das gegnerische Dauerschach zulassen.

Inzwischen hatte nämlich am Nebenbrett Mads Andersen sein großartiges Turnier mit einem abschließenden Schwarz-Sieg gegen IM Gabor Nagy (2414) gekrönt. In einer halbslawischen Moskauer Variante hatte der Ungar mit Weiß einen – inkorrekten – Opferrreigen entfacht, sobald Mads den strategisch wünschenswerten Durchbruch c5 durchgesetzt hatte. In den entstehenden Komplikationen ließ Mads den Ungarn noch einmal entwischen, so dass dieser Dauerschach hätte geben können. Doch als dieser einen anderen Weg wählte, stand nach der Zeitkontrolle eine Position auf dem Brett, in der Mads nur noch sorgfältig einigen Schachs der weißen Dame ausweichen musste, bevor er mittels seines Materialvorteils seinen Freibauern auf der c-Linie umwandelte.

Mit diesem Sieg erzielte Mads einen Score von 6/7 und eine Performance von 2670, womit er das drittbeste Ergebnis am fünften Brett erzielte. Leider fehlte ihm ein GM-Gegner zur Erfüllung seiner letzten GM-Norm, allerdings wird die endgültige Titelverleihung für den 19-Jährigen auch so nur noch eine Frage der Zeit sein, und er wird mit 15 gewonnenen Elopunkten glücklich die Heimreise nach Dänemark antreten. Dagegen wird Sandipan Chanda diesen Europapokal aus persönlicher Sicht schnell vergessen wollen: Nach seinem Erstrundendrama fand er nie mehr ins Turnier zurück, und auch in der Schlussrunde unterlief ihm gegen IM Gabor Kovacs (2463) in einer leicht besseren Damengambit-Position ein taktisches Versehen, nachdem er in ein Springerendspiel mit zwei Minusbauern geriet. Zwar war er dank seines weit vorgerückten Freibauerns niemals in Verlustgefahr, aber mehr als ein Remis, das erst bei nur noch zwei auf dem Brett verbliebenen Königen unterzeichnet wurde, war nicht drin.

Dennoch war auch Sandipan über das 4½:1½ mehr als erfreut, dessen Wert sich erst im Laufe des Abends zeigte. Die Mannschaft nutzte die Gunst der Stunde mit der glücklichen Auslosung und wurde dank der idealen Ergebnisse der Konkurrenz mit einem 5. Platz belohnt, der am Abend natürlich noch ausgiebig gefeiert wurde. Als sportlich besonders wertvoll erwies sich dabei die Hinterachse, da im gesamten Turnier an den Brettern 4-6 keine einzige Partie verloren und ein exzellentes Ergebnis von +12 erzielt wurde.

Die großartige Endplatzierung beruht aber vor allem auf dem herausragenden Teamgeist, der über das gesamte Turnier nicht nur durch die schönen Trikots nach außen dokumentiert, sondern unter der Führung von Teamchef Herbert Scheidt auch gelebt wurde. Die moralische Unterstützung, die vor Ort durch Ingrid Scheidt, Kai Wegerle und Oliver Kniest geleistet wurde, und selbstverständlich das Daumendrücken der Fans in der Solinger Heimat, für das sich die Mannschaft auf diesem Wege ebenfalls herzlich bedanken möchte, trugen sicherlich auch dazu bei, dass sich zur guten Leistung auch das unabdingbare Quäntchen Glück gesellte.

Damit gehen 10 wunderbare Tage in Bilbao zu Ende – vielleicht gibt es ein Wiedersehen beim Europapokal 2015 in Skopje!

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