Noch ein Sieg bis zum Titelgewinn

Schachbundesliga 14. Spieltag
Artur Jussupow steht auf Gewinn! (© Guido Giotta)

logo-blMit einer sehr überzeugenden Mannschaftsleistung und einem überraschend hohen 6:2-Erfolg hat unsere I. Mannschaft die hohe Hürde SV 1930 Hockenheim genommen und damit das Tor zum ersten Meistertitel seit 1997 ganz weit aufgestoßen. Die beiden Routiniers Artur Jussupow und Alexander Naumann erzielten mit schön herausgespielten Siegen an den hinteren Brettern die komfortable Führung, bevor Markus Ragger und Richard Rapport schließlich sogar noch für einen sehr deutlichen Erfolg sorgten.

Dabei war die Anspannung vor dem 14. Spieltag sehr groß gewesen. Nach dem Nervenflattern beim letzten Wochenende in Meißen und dem auf einen Zähler geschrumpften Vorsprung auf Meister Baden Baden sah Teamchef Herbert Scheidt dem Match gegen Hockenheim mit gemischten Gefühlen entgegen. Zum einen waren mit Anish Giri, Pentala Harikrishna (als Spieler) sowie Markus Ragger und Erwin L’Ami (als Sekundanten) gleich vier unserer Spitzenbretter beim Altibox-GM-Turnier in Stavanger engagiert, zum anderen hatten wir in unserer Bundesliga-Zeit gegen die Hockenheimer noch nie gewinnen, sondern in vier Duellen bisher lediglich zwei Unentschieden erzielen können.

Da unser Stammhotel »Der goldene Löwe« an diesem Wochenende ausgebucht war, kam die gesamte Mannschaft im gleichen Hotel wie die Gäste unter, so dass man frühzeitig erkennen konnte, dass die Badener nach einer für sie sicherlich suboptimalen Saison noch einmal mit einer starken Aufstellung in die Klingenstadt gekommen waren. Doch unser Seniorenweltmeister Predrag Nikolic gab für diese Situation die absolut richtige Marschroute aus: »Es ist immer gut, in den Schlussrunden unter Druck zu stehen, denn es bedeutet, dass man noch etwas Wichtiges erreichen kann!«  Zudem erlaubte es der Spielplan des norwegischen Superturniers mit dem Ruhetag am Samstag, dass Markus Ragger einen Kurztrip nach Solingen unternehmen konnte und damit wieder einmal seine großartigen Eigenschaften als exzellenter Mannschaftsspieler unter Beweis stellte.

Mit Ragger am 2. Brett waren wir nominell minimal favorisiert und erwischten auch einen sehr guten Start in den Kampf. Nach etwa zwei Stunden bereitete lediglich der fast schon gewohnt hohe Bedenkzeitverbrauch von Jan Smeets gewisse Sorgen, der gegen den McCutcheon-Franzosen des Ex-Solingers GM Rainer Buhmann (2645) eine sehr harmlose Variante gewählt hatte, aber nach 15 Zügen schon fast nur noch von seinem 30-Sekunden-Inkrement lebte. Ansonsten gab es aber Grund zur Zufriedenheit, da sich an mehreren Brettern entweder eine Solinger Initiative auf dem Brett abzeichnete oder zumindest deutliche Bedenkzeitvorteile zu verzeichnen waren.

Den psychologisch immens wichtigen Führungstreffer erzielte schließlich mit Artur Jussupow ausgerechnet der dienstälteste Solinger Akteur, der als einziger bei der Meisterschaft 1997 bereits dabei war. Er traf mit den schwarzen Steinen auf den ehemaligen Jugend-Weltmeister GM Arik Braun (2571), der bisher mit 7½/10 eine hervorragende Saison gespielt hatte und den Artur natürlich aus einigen gemeinsamen Trainingssitzungen kennt. Aus einer zunächst ruhigen Reti-Struktur konnte Artur mit 24… f5 als Nachziehender die Initiative an sich reißen und gelangte schrittweise zu einem starken Angriff gegen die geschwächte weiße Königsstellung, der schließlich nicht mehr zu parieren war.

Mit dieser Führung im Rücken konnte Robin van Kampen seine Begegnung gegen GM Alexander Moiseenko (2667) beruhigt durch Zugwiederholung Remis geben. Gegen eine der Königsindisch-Spezialvarianten des Ukrainers hatte Robin mit Schwarz in einer Benoni-Struktur keine Probleme auszugleichen, wonach sich die Partie stets im Gleichgewicht befunden hatte. Ebenfalls Remis endete die Partie von Sandipan Chanda, der mit Schwarz gegen das von GM David Baramidze (2589) gewählte Anti-Meraner-System im Halbslawen zunächst keine Probleme hatte, bevor es in der Zeitnotphase eine Schrecksekunde gab, als Baramidze einen Halbzug lang hätte in entscheidenden Vorteil kommen können, was beiden Spielern aber nicht nur während der Partie, sondern auch in der Analyse entging und wieder einmal erst von den Engines aufgedeckt wurde. Schließlich schloß auch Predrag Nikolic mit dem ungarischen GM Tamasz Banusz (2619) Frieden, nachdem aus einer Tarrasch-typischen Isolani-Struktur schließlich ein ausgeglichenes Mittelspiel mit ungleichfarbigen Läufern entstanden war, in dem keine Seite entscheidende Fortschritte erzielen konnte.

»Joker« Markus Ragger tief in Gedanken in der Partie gegen Ivan Saric. (© Guido Giotta)
»Joker« Markus Ragger tief in Gedanken in der Partie gegen Ivan Saric.
(© Guido Giotta)

Danach sorgte Alexander Naumann kurz vor der Zeitkontrolle für die Vorentscheidung. Als einer der Wenigen, die ein gewisses Elo-Plus gegenüber ihrem Kontrahenten aufwiesen, hatte er die Partie gegen IM Oleg Boguslavskyy (2457) mit den weißen Steinen ambitioniert angelegt und in einem Rossolimo-Sizilianer bereits eine angenehmere Position erreicht, bevor er mit einem hübschen Zwischenzug einen Bauern gewinnen konnte und die Partie danach konsequent in ein Endspiel überführte, in dem er den Mehrbauern mit einigen taktischen Tricks zu einem gefährlichen Freibauern umwandelte und diesen Vorteil verwertete. Parallel konnte »Joker« Markus Ragger seine Vorteile im Endspiel ebenfalls ausbauen. Gegen die königsindische Verteidigung des kroatischen Topspielers GM Ivan Saric (2654) wählte der bestens präparierte Markus eine unscheinbare, aber giftige Variante mit verzögertem Abtausch auf e5, aus der er schnell ein vorteilhaftes Turmendspiel erreichte. Dieses transferierte er in ein Bauernendspiel, aus dem schließlich nach einem Wettrennen der Freibauern ein Damenendspiel mit Mehrbauer resultierte.

Dank dieser komfortablen Situation war das Match dann spätestens mit dem Remis von Jan Smeets gegen Buhmann entschieden. Auch wenn er ab dem 20. Zug praktisch in Dauerzeitnot agierte, hatte der Holländer gegen den nach einem glänzenden Jahr inzwischen zur deutschen Nummer 3 aufgestiegenen Buhmann die Partie immer unter Kontrolle, so dass letztlich ein völlig ausgeglichenes Turmendspiel entstand. Fast parallel konnte Richard Rapport am Spitzenbrett im Duell gegen seinen Ex-Klub seine großartige Saisonbilanz noch weiter verbessern. Der deutschen Nachwuchshoffnung GM Dennis Wagner (2574) unterlief nach einem langwierigen positionellen Duell in einer weiteren komplexen Königsindisch-Stellung in der fünften Spielstunde eine Ungenauigkeit, die seine Königsstellung entscheidend schwächte, was Rapport zu einem entscheidenden Angriff nutzen konnte.

Schließlich sorgte Markus Ragger noch für den perfekten Abschluss einer sehr starken Teamleistung, als er das Damenendspiel zunächst in eine Struktur mit Dame und f-Bauer gegen Dame transferierte und sein Freibauer schließlich mit der nicht mehr zu verhindernden Umwandlung für das unerwartete 6:2 und ein schön symmetrisches Mannschaftsergebnis mit jeweils zwei Siegen an den beiden Spitzen- und den hinteren Brettern sowie vier Remisen im »Zentrum« sorgte.

Die Freude über diesen großen Schritt zur Meisterschaft währte jedoch nur kurz und beim abschließenden Mannschaftsessen im Restaurant Pfaffenberg galt nach den Glückwünschen von Sponsor Michael Kölker bereits die volle Konzentration dem morgigen Kampf gegen Griesheim, in dem diese Sensationssaison mit einem Meistertitel gekrönt werden soll.

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