Weltcup: Niederlage für Anish Giri

In der Auftaktpartie des Achtelfinales des FIDE-Weltcups in Tiflis musste Anish Giri seinen ersten Verlust in einer Turnierpartie in diesem Wettbewerb hinnehmen. In einer sehr komplexen Russisch-Partie gegen Vasily Iwantschuk (2727) opferte der Holländer korrekt einen Bauern für gute Kompensation durch seine Initiative am Königsflügel, setzte dann bei knapper werdender Bedenkzeit nicht präzise fort und landete in einem völlig verlorenen Turmendspiel, das er nach der Zeitkontrolle nur noch aufgeben konnte. Richard Rapport erreichte nach langer Verteidigungsarbeit in einer Stellung mit Minusbauern ein Remis nach 80 Zügen gegen den Russen Evgenij Najer (2694)

Der inzwischen 47-jährige Vasily Iwantschuk gehört seit 30 Jahren zur absoluten Weltklasse und ist eine der schillerndste Erscheinungen der Schachwelt. An einem guten Tag halten ihn viele für den vielleicht stärksten Spieler der Welt, was er durch zahlreiche glanzvolle Siege gegen Spieler wie Karpow, Kasparov oder Carlsen oft zu untermauern wusste. Doch das sehr schwache Nervenkostüm des kauzigen Ukrainers verhinderte stets das Erreichen des Weltmeistertitels und führt zu einer latenten Unberechenbarkeit in seinem Spiel. Sehr passend ist dazu sicherlich das Zitat eines kopfschüttelnd lamentierenden Weltmeisters Kasparov nach einer Niederlage gegen »Chucky« bei einem der damaligen Superturniere in Linares in den 90er Jahren:  »Gestern spielt er wie ein 1800er – und gegen mich spielt er wie Iwantschuk!«

Folglich dürfte auch Anish Giri nach sechs kraft- und nervenaufreibenden Schachtagen in Folge darauf gehofft haben, einem nicht in Bestform agierenden Iwantschuk zu begegnen. Doch der Ukrainer zeigte sich zwei Tage nach seinem glanzvollen Schwarz-Sieg gegen Vladimir Kramnik und mit dem Vorteil eines Ruhetages erneut voll auf der Höhe. Anish verzichtete mit Schwarz auf seinen Najdorf-Sizilianer, mit dem er gegen Sethuraman zweimal große Schwierigkeiten hatte, und wählte die solide Russische Verteidigung. Nach einer Neuerung von Iwantschuk tauchten beide im frühen Mittelspiel lange ab und kreierten in der Folge ein messerscharfes Mittelspiel mit heterogenen Rochaden. Doch das korrekte Bauernopfer von Giri führte nicht zum gewünschten Erfolg, da »Chucky« in der komplexen Stellung sehr präzise agierte und die späteren Ungenauigkeiten von Anish zum Sieg ausnutzen konnte.

Unterdessen hatte es Richard Rapport mit dem überraschenden Bezwinger von Fabiano Caruana, Evgenij Najer (2694), zu tun. Der 40-jährige Russe, der über mehrere Jahre am Spitzenbrett unseres Bundesliga-Reisepartners SV Wattenscheid spielte, ist inzwischen mehr als Trainer der russischen Damen-Nationalmannschaft aktiv, sorgt aber zwischenzeitlich immer wieder mit Siegen bei starken Open wie der Europameisterschaft 2015 oder dem Aeroflot-Open 2016 für Furore. Richard blieb seiner bisherigen konservativen Eröffnungsstrategie beim Weltcup treu und wählte mit den weißen Steinen die slawische Abtauschvariante. Doch er konnte keinen Vorteil erzielen und es stand nach 23 Zügen eine ruhige ausgeglichene Position auf dem Brett, bevor eine spektakuläre Serie von 9 Halbzügen, bei denen jeweils etwas geschlagen wurde, folgte. Der Russe gewann bei dieser umfangreichen Abtauschoperation einen Bauern und versuchte im Anschluss noch mehrere Stunden, diesen materiellen Vorteil zu einem vollen Punkt zu verdichten. Doch Richard verteidigte sich präzise und wurde dafür nach 80 Zügen mit einem halben Zähler belohnt.

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