Traumstart knapp verpasst

Die beiden entscheidenden Partien des Kampfes

Mit einem 4:4 gegen den starken Aufsteiger SV Hockenheim hat unsere Bundesliga-Mannschaft den absoluten Traumstart in die Saison knapp verpasst. Dennoch zeigte sich Teamchef Herbert Scheidt mit 5:1 Zählern gegen drei starke Gegner und Tabellenplatz 2 auch so sehr zufrieden mit dem Auftaktwochenende, an dem es so viele Überraschungen zu verzeichnen gab. Außerdem ging  die Punkteteilung gegen das ambitionierte Team aus der Rhein-Neckar-Region nach einem Sieg von Erwin L’ Ami gegen GM Evgenij Miroshnichenko (2624) bei einer Niederlage von Predrag Nikolic gegen IM Martin Neubauer (2431) durchaus in Ordnung. Insofern zieht die SG Solingen nicht nur aus sportlicher Sicht eine gute Bilanz, sondern möchte sich an dieser Stelle noch einmal bei Heinz Schmitz und dem SV Mülheim Nord für die exzellente Ausrichtung bedanken und hofft, dass die  zentrale Auftaktrunde eine dauerhafte Einrichtung der Bundesliga werden wird.  

Unter dem unermüdlichen Engagement von Dieter Auer ist in den letzten Jahren in Hockenheim mit der Karpov-Schachakademie und dem kontinuierlichen gewachsenen SV Hockenheim eine neue Schachhochburg entstanden. Der Aufsteiger hat sich noch einmal kräftig verstärkt und geht als Nummer 7 der Setzliste in seine erste Bundesliga-Saison. Folglich waren wir im ersten Duell gegen die ohne Anatoli Karpov angetretenen Bundesliga-Neulinge nur minimal favorisiert, zumal die Mannschaft mit den beiden Ex-Solingern Rainer Buhmann und David Baramidze am Vorabend den ersten Sieg gegen Remagen hatte feiern können.

Fast traditionell gibt es bei  jeder Bundesliga-Sonntags-Runde einige Partien, die relativ unspektakulär im Remishafen enden. Dieser Kampf machte keine Ausnahme, da IM Hannes Rau (2464) gegen Michael Hoffmann die relativ harmlose Variante mit 4.e4 im englischen Vierspringerspiel gewählt hatte, was mit einem baldigen Abtausch vieler Figuren und dem entsprechenden Verflachen der Position verbunden war, so dass die Remisvereinbarung nach 22 Zügen unterzeichnet wurde. Deutlich komplexer verlief das Positionsgefecht in der semislawischen Moskauer Variante zwischen dem slowenischen GM Luka Lenic (2641) und Sandipan Chanda, in der aber letztlich die Stellung trotzdem immer im dynamischen Gleichgewicht blieb, so dass es hier zum zweiten Remis kam.

Zu diesem Zeitpunkt waren die Solinger Anhänger noch sehr zuversichtlich, da nach den beiden Schwarz-Remisen insbesondere die Weiß-Positionen von Erwin L’ Ami und Markus Ragger Anlaß zu Optimismus gaben. Erwin demonstrierte in einer aus der Wiener Variante des Damengambits entstandenen Position sehr schön, warum bei ungleichfarbigen Läufern die angreifende Partei oft über große Vorteile verfügt. Dank der Dominanz seines weißfeldrigen Läufers auf d3 gegenüber dem schwarzen Statisten auf c5 konnte er einen Bauern dauerhaft auf g6 installieren, den der ukrainische Open-Spezialist GM Evgenij Miroshnichenko (2624) nur unter einem Qualitätsopfer beseitigen konnte, wonach die technische Verwertung des Materialvorteils Erwin keine großen Probleme bereitete.

Nicht ganz einfach war die Begegnung am Spitzenbrett vermutlich für beide Protagonisten, da Markus und Rainer Buhmann (2607), der in Hockenheim seit 2 Jahren auch die Geschicke der Schach-Akademie als Geschäftsführer leitet, häufig zusammen trainieren. Dennoch gelang es unserem österreichischen Spitzenbrett, in einem Panov-Angriff Rainer zu überraschen und schnell einen immensen Zeitvorteil anzuhäufen. Doch Buhmann verteidigte sich absolut exakt und wies nach, dass die vermeintlichen weißen Vorteile nur optischer Natur waren, so dass die Partie in einem Doppelturmendspiel im Remishafen landete.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt war klar, dass der dritte Saisonsieg trotz des Zwischenstandes von 2½: 1½ heute sehr schwer werden würde, denn ausgerechnet »Mister Zuverlässig« Predrag Nikolic hatte offenbar einen gebrauchten Tag erwischt. Schon frühzeitig machte seine Mittelspiel-Position, die aus einem angenommenen Damengambit gegen IM Martin Neubauer (2431) entstanden war, einen verdächtigen Eindruck und später konnte der couragiert aufspielende Österreicher sein Läuferpaar effizient zur Geltung bringen, um schließlich mit einer hübschen taktischen Kombination entscheidendes Material zu gewinnen. Predrag rettete sich noch in Endspiel mit zwei Türmen gegen die weiße Dame, welche jedoch gegen die zwei weißen verbundenen Mehrbauern nichts ausrichten konnten, was den Ausgleich für Hockenheim bedeutete.

In den verbleibenden drei Partien musste Jan Smeets im Duell mit David Baramidze (2591) eher mit der Punkteteilung zufrieden sein. In einer der typischen Katalanischen Gambitvarianten stand wieder einmal das immerwährende Duell zwischen Mehrmaterial und besserer Struktur auf dem Programm. Der schwarze Mehrbauer wurde durch seinen Doppelbauern auf der c-Linie und den besseren weißen Springer kompensiert, doch Jan konnte mit Weiß keine Fortschritte erzielen und David drängte ihn langsam in die Defensive. Dort agierte Smeets jedoch exakt und verteidigte den wichtigen halben Punkt. Wenig später wurde auch in der Begegnung von Ivan Saric (2643) und Daniel Stellwagen der Punkt geteilt. Der Kroate hatte gegen die Caro-Kann-Verteidigung eine harmlose Nebenvariante gewählt, so dass Daniel komfortablen Ausgleich erzielen konnte. Später resultierte hieraus nach korrektem Partieverlauf ein Springerendspiel mit ungleichfarbigen Läufern, das beide voll auskämpften, ohne aber jemals ernsthafte Gewinnaussichten zu haben.

Ähnliches lässt sich auch über die letzte Partie von Alexander Naumann gegen Elizabeth Pähtz (2461) sagen. Alex hatte in einem Fianchetto-Königsinder immer leichte optische Vorteile zu verzeichnen, doch unser Nationalmannschafts-Spitzenbrett verteidigte sich tadellos, so dass Weiß nichts Substantielles erreichen konnte und der Punkt letztlich in einem Turmendspiel geteilt wurde, wonach auch das gerechte 4:4 perfekt war.

Das nächste, dann wieder im traditionellen Modus ausgerichtete, Wochenende hält am 19./20.11. direkt den nächsten Höhepunkt in dieser Saison bereit, wenn es in der Solinger Stadt-Sparkasse zum Duell mit dem amtierenden Meister OSG Baden Baden kommt.

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