Schwarzer Samstag gegen Wattenscheid

Als bereits kurz nach der ersten Zeitkontrolle gegen 18.30 Uhr die unerwartete Niederlage gegen den SV Wattenscheid feststand, mussten auch die größten Optimisten im Solinger Lager eingestehen, dass in den vorausgegangenen 24 Stunden fast alles schief gegangen war, was man sich so vorstellen konnte.  Es begann am Freitagabend, als zum Zeitpunkt des vereinbarten Treffens im Teamhotel unser Bundesliga-Chef Herbert Scheidt einen Anruf von Teamchauffeur Predrag Nikolic erhielt, das unser niederländisches Quartett im unerwarteten Schnee-Chaos feststeckte und noch nicht einmal die Nähe der Grenze erreicht hatte.  Nachdem ihre Anreise-Odyssee zu später Stunde schließlich doch zum Ziel geführt hatte, erlebte dann heute ausgerechnet der Programmierer des exzellenten Live-Portals, Pascal Pflaum, bei seiner Übertragungs-Premiere aus Solingen den Alptraum, das nach ca. 20 Minuten alle Bretter der Live-Übertragung aus der Stadt-Sparkasse ausfielen (und natürlich das match-entscheidende Brett im Kampf Dortmund-Remagen bis zum Schluss nicht mehr repariert werden konnte).

Vor allem aber verdarb die völlig verdiente 3:5-Niederlage unserer Mannschaft gegen den SV Wattenscheid allen die Laune, nachdem unsere drei bisher so beständigen Spitzenbretter Markus Ragger, Sandipan Chanda und Jan Smeets jeweils ihre erste Saison-Niederlage kassierten und nach dieser »langen Rochade« das Team absolut chancenlos war, so dass der abschließende Sieg von Mads Andersen nur noch Ergebniskosmetik bedeutete.

Mit unserem langjährigen Reisepartner aus Wattenscheid verbinden uns freundschaftliche Beziehungen und auch zahlreiche spannende Kämpfe, wobei wir in den vergangenen Jahren stets die Oberhand behalten hatten und die letzte Niederlage aus der Saison 2007/08 datierte. Da Teamchef Herbert Scheidt zudem fast seine Optimalbesetzung aufbieten konnte, waren wir zuversichtlich, den geteilten dritten Tabellenplatz erfolgreich verteidigen zu können. Doch auch der Wattenscheider Mannschaftsführer Uli Wolf hatte eine Überraschung im Köcher und kompensierte das komplette Fehlen seiner polnischen Achse durch das Bundesliga-Debüt der Nummer 24 der Weltrangliste, GM Nikita Vitiugov (2726).

Dieser konnte prompt in einem e3-Slaven mit 4… Lg4 positionelle Vorteile gegen Markus Ragger herausarbeiten und wies frühzeitig eine sehr angenehme Stellung auf.  Noch schlimmer gestalteten sich die Ereignisse am Nebenbrett, wo Sandipan Chanda in einer anderen Variante des gleichen Eröffnungs-Abspiels mit Weiß nicht nur keinerlei Vorteil gegen GM Evgenij Najer (2637) erzielt hatte, sondern im frühen Mittelspiel einen für ihn auch Stunden später unerklärlichen Patzer produzierte, der dem Russen einen gesunden Mehrbauern bei zusätzlich besserer Stellung einbrachte. Die schlechten Nachrichten setzten sich am 3. Brett fort, wo Jan Smeets es gegen GM Sebastian Bogner (2534) mit Nimzo-Indisch versucht, dabei aber wieder einmal Unmengen von Bedenkzeit investiert hatte und in heftige Zeitnot geriet.

Die einzige Kompensation für diesen Verlauf an den Spitzenbrettern ergab sich am achten Brett, wo unser Youngster Mads Andersen gegen das angenommene Damengambit von  IM Volkmar Dinstuhl (2408) eine äußerst vielversprechende Angriffsposition erreicht hatte. Doch während der Däne auf der verzweifelten Suche nach dem forcierten Gewinn letztlich seinen Vorteil sukzessive verspielte und sich Dinstuhl in ein nur minimal schlechteres Schwerfigurenendspiel retten konnte, setzte sich der Trend an den Spitzenbrettern fort.

Sebastian Bogner spielte in der Zeitnot von Smeets groß auf und drang mit seinen Türmen entscheidend auf der 7.Reihe ein, so dass Jan die Stellungsprobleme nicht mehr lösen und aufgeben musste. Auch Sandipan konnte gegen die exzellente Technik von Najer nichts ausrichten und musste eine klare Weiß-Niederlage hinnehmen. Schließlich musste auch Markus Ragger die blitzsaubere Vorstellung von Vitiugov anerkennen und der 0:3-Rückstand war perfekt.

Somit musste natürlich an den hinteren Brettern erhöhtes Risiko gegangen werden, doch leider bot keine der verbleibenden Positionen auch nur minimale Aussichten auf einen vollen Zähler.  Alexander Naumann hatte mit Schwarz gegen das seltene 7. La3 in der Grünfeld-Indischen-Abtauschvariante von IM Tobias Hirneise (2446) ein positionelles Qualitätsopfer angebracht, das ihm stets durch sein Läuferpaar genügend Kompensation sicherte, aber niemals größere Ambitionen zuließ. Ähnlich war es bei Erwin L’Ami, der gegen GM Ralf Appel (2529) in einem Chebanenko-Slaven lange um Ausgleich kämpfen musste und schließlich ein totremises Turmendspiel erreichte. Als schließlich Predrag Nikolic seine Bemühungen einstellte, mit Weiß gegen einen weiteren grundsoliden a6-Slaven von GM Florian Handke (2518) auch nur einen mikroskopischen Vorteil zu erreichen, war der einseitige Kampf bereits nach knapp 4½ Stunden entschieden.

Im weiteren Verlauf musste dann auch Daniel Stellwagen einsehen, dass am heutigen Tag die französische Fort Knox-Festung von GM Alexander Rustemov (2537) nicht von ihm eingenommen werden würde, nachdem der Russe bei reduziertem Material im Endspiel Dauerschach forcieren konnte. Wenigstens gab bei diesem völlig mißlungenen Kampf der Schlusspunkt ein wenig Anlaß zur Hoffnung auf Besserung, denn Mads Andersen profitierte zum Abschluss von einem Fehler Volkmar Dinstuhls, so dass er in ein gewonnenes Bauernendspiel abwickeln und den Ehrentreffer zum 3:5 erzielen konnte.

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