Spannendes Remis gegen Odlar Yourdu

Gruppenbild mit Captain: Markus Ragger, Erwin L’Ami, Sandipan Chanda, Alexander Naumann, Mads Andersen, Jörg Wegerle (v.r.n.l.) und Markus Schäfer (stehend)
Gruppenbild mit Captain:
Markus Ragger, Erwin L’Ami, Sandipan Chanda, Alexander Naumann, Mads Andersen, Jörg Wegerle (v.r.n.l.) und Markus Schäfer (stehend)

Mads Andersen hat mit seinem Schwarz-Sieg am 5. Brett gegen Gadir Guseinov (2615) unserem Team beim Europapokal das 3:3 gegen Odlar Yourdu gerettet. Zuvor hatte mit Jörg Wegerle auch unser 6. Brett seine Partie gewonnen, obwohl die Mannschaft aus Aserbaidschan ausgerechnet an den hinteren Brettern die  Elo-Vorteile aufwies.  Diese beiden vollen Zähler egalisierten die Schwarz-Niederlagen von Markus Ragger und  Sandipan Chanda, so dass unsere Mannschaft nach drei Runden mit 5:1 Zählern auf einem tollen 3. Tabellenplatz liegt.

Odlar Yurdu bedeutet auf aserbaidschanisch »Land des Feuers«, was den inoffiziellen Titel für das Land Aserbaidschan bei seinen Landsleuten darstellt. Somit war bereits klar, dass unsere Mannschaft es in der dritten Runde mit einer Art aserischen Nationalmannschaft (ohne die Topstars Mamedyarov und Radjabov) zu tun bekommen würde. Während der Topfavorit und Europacupsieger des Jahres 2012, SOCAR Azerbaidschan eher ein »Dream Team« internationaler Topspieler darstellt, setzt Odlar Yurdu tatsächlich auf die eigenen Talente, die vom israelischen Spitzenbrett Emil Sutowsky als Mentor und Trainer geführt werden.

Es war ein ausgeglichener Kampf zu erwarten, wobei die Azeris aufgrund der nominellen Vorteile an den hinteren Brettern als ganz leicht favorisiert galten. Dagegen besaß Alexander Naumann gegen den jungen GM Ulvi Bajarani (2483) ein kleines Elo-Übergewicht, konnte aber seine leichte Initiative gegen dessen solide slawische Verteidigung nicht entscheidend verdichten, so dass die Partie schließlich im Dauerschach endete. Am 3. Brett geriet Sandipan Chanda mit Schwarz gegen GM Rauf Mamedov (2660) langsam, aber stetig in Schwierigkeiten. Gegen die Wiener Partie schien er fast vollständigen Ausgleich erlangt zu haben, doch der starke Praktiker Mamedov stellte fortwährend kleinere Probleme und Sandipan unterliefen einige Ungenauigkeiten, so dass er spätestens nach dem Eindringen der beiden weißen Türme auf der 7. Reihe im Doppelturmendspiel die Partie nicht mehr halten konnte.

Jörg Wegerle fühlte sich am Morgen nicht besonders wohl und hätte gerne wieder seinen gestrigen Posten als Ersatz-Kapitän wahrgenommen, doch der Hauptkapitän Markus Schäfer setzte sich selbst auf die Bank und sollte damit Recht behalten!  Denn Jörg gelang gegen GM Vugar Rasulov (2514) eine ganz starke Partie. In einem c3-Sizilianer entwickelte er eine leichte, aber unangenehme Initiative am Königsflügel, die seinen Gegner langfristig beschäftigte. Als Rasulov bei der Verteidigung suboptimal fortsetzte, nutzte Jörg dies konsequent aus und erzielte kurz vor der Zeitkontrolle den Ausgleich.

Am Spitzenbrett hatte Markus Ragger gegen den sehr kreativen Taktiker und Angriffsspieler GM Emil Sutowsky (2632) mit der Berliner Verteidigung im Spanier sicherlich eine clevere Eröffnungswahl getroffen, patzte dann allerdings mit 21… b6, wonach Sutowsky in ein zwar ungleichfarbiges Läuferendspiel abwickeln konnte, in dem die zwei Minusbauern nicht mehr zu kompensieren waren. Erwin L’Ami schien gegen Vasif Durarbaily (2614) auf den ersten Blick eine leistungsgerechte Punkteteilung nach einem soliden g3-Königsinder erzielt zu haben. Im Nachhinein haderte Erwin allerdings mit sich selbst, da er im 17. Zug mit dem einfachen Ld5: kompensationslos eine Qualität hätte gewinnen können.

Nach diesem etwas unglücklichen Verlauf an den Spitzenbrettern wäre eine knappe Gesamt-Niederlage sicherlich kein untypisches Ergebnis gewesen. Doch am fünften Brett wendete sich das Blatt auch einmal zu unseren Gunsten: Mads Andersen hatte mit Schwarz gegen GM Gadir Guseinov (2615) die weiße Initiative in einem Tarrasch-Franzosen erfolgreich neutralisiert, schien aber im Doppelturmendspiel über keine realen Gewinnaussichten zu verfügen. Doch Guseinov schätzte das Turmendspiel offenbar völlig falsch ein, so dass er sich nach der Aktivierung von Mads’ zuvor eher passiven Türmen zunächst zum Tausch eines und schließlich sogar beider Turmpaare genötigt sah. Das entstandene Bauernendspiel führte jedoch zu einem Damenendspiel mit einem weiteren gefährlichen Freibauern von Mads. Hier zeigte unser dänischer Youngster trotz des Drucks des Gewinnenmüssens keinerlei Nerven und münzte diesen Vorteil souverän zum vollen Zähler um.

Damit sorgte er nicht nur für das bejubelte und im Ergebnis wohl auch gerechte 3:3, sondern ist nun auch alleiniger Topscorer des Teams mit 3/3 und darf sich berechtigte Hoffnungen auf seine letzte GM-Norm in diesem Turnier machen. Morgen treffen unsere Jungs auf die russische Mannschaft von Ladya Kasan um Spitzenbrett Gata Kamsky, die an den hinteren Brettern drei jüngere und unbekanntere Akteure aufgeboten hat. Dies wird sicherlich eine erneut schwere Aufgabe, die im Falle einer Wiederholung der heutigen Leistung aber durchaus machbar sein dürfte.

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