Enttäuschung, Mini-Eklat und IM-Norm beim ECC

Tom Michalczak erspielte eine IM-Norm

Der Europapokal 2011 endete für unsere Mannschaft mit einer Enttäuschung. Gegen das belgische Team aus Ans setzte es trotz klarer nomineller Vorteile an den hinteren Brettern und einer frühen Führung durch Andreas Peschel eine 2½: 3½– Niederlage, wobei ausgerechnet Michael Hoffmann im Duell mit Markus Schäfer für die Belgier voll punktete. Damit verpasste das Team die Chance auf einen bessere Platzierung als von der Setzliste vorgesehen und musste schließlich mit 6:8 Zählern und Platz 39 zufrieden sein. Sehr ärgerlich war darüber hinaus  das unfaire Verhalten des Kontrahenten von Milon Gupta, der in einer komplizierten Stellung, in der Milon bereits 10 Minuten an seinem Zug überlegt hatte, einfach noch einen Zug machte und seelenruhig auf seinem Partieformular notierte!  Doch es gab auch ein positives Highlight, denn Thomas Michalczak erfüllte mit seinem Remis eine weitere IM-Norm. 

Eigentlich waren die Voraussetzungen für einen schönen Turnierabschluss optimal. Das Team aus Ans nutzte die Schlussrunde dazu, seine Reservebank noch einmal komplett einzuwechseln, so dass wir – obwohl hinter den Belgiern gesetzt – sogar nominell leicht favorisiert waren. Zudem waren die ersten Ergebnisse optimal:  GM Luc Winants (2540) verspürte keinen großen Drang, gegen die Lasker-Verteidigung im Damengambit von Alex Naumann anzurennen, so dass nach 16 Zügen das Remis unterschriftsreif war. Nur kurze Zeit später durfte Thomas Michalczak nach einem Schwarz-Remis gegen IM Stephane Hautot (2405) die Glückwünsche zu einer weiteren IM-Norm entgegennehmen, die er mit einer Ausbeute von 4½/7 und einer Performance von 2499 erzielte. Tom hatte bereits zuvor alle notwendigen Normen für den Titel beisammen, dennoch bedeutet dieses Resultat natürlich ein tolles Ergebnis und vor allem den richtigen Schritt in Richtung Elo 2400, die er für die endgültige Titelverleihung noch überschreiten muss.

Danach brachte Andreas Peschel uns mit einem sicheren Sieg gegen Pascal Vandervorst (1819) in Führung und erzielte so mit 4/7 das zweitbeste Ergebnis der Mannschaft. Leider bedeutete dieser volle Zähler auch das Ende der positiven Nachrichten für dieses Turnier. Dr. Axel Scheffner hatte einfach eine absolute »Seuchen-Woche« erwischt, in der sein Anti-Lauf auch in der Schlussrunde fortdauerte, so dass er zunächst seine Vorteile  im Mittelspiel gegen Jimmy Lafosse (2058) nicht nutzte und die Stellung schließlich sogar taktisch zum Verlust verpatzte. Danach kam Michael Hoffmann nach bisher fünf Remisen ausgerechnet im Duell mit seinem sonstigen Teamkollegen Markus Schäfer zu seinem ersten Sieg im Turnier. Eigentlich war Michael mit den schwarzen Steinen friedlich gestimmt, doch Markus ging mit den weißen Steinen das klassische Le2-System gegen den schwarzen Najdorf-Sizilianer völlig daneben, so dass Michael bereits im frühen Mittelspiel risikolos auf Gewinn spielen und schließlich das 3:2 für Ans erzielen konnte.

Damit musste Milon Gupta gegen Vladimir Blagodarov (2113) gewinnen, um noch ein Mannschaftsunentschieden zu sichern. In einer Reti-Struktur kam er jedoch über mikroskopische Vorteile nicht hinaus, zumal er sich nicht nur um die Geschehnisse auf dem Brett kümmern musste. So verhielt sich sein Kontrahent bereits vorher sehr grenzwertig, als er sich einmal während der Partie auf seinen Stuhl stellte. Die absolute Frechheit war aber das Ausführen eines zweiten Zuges, als Milon bereits 10 Minuten in einer komplexen Stellung nachdachte. Die herbeigerufenen Schiedsrichter brauchten fast eine Viertelstunde, um die Situation zu verstehen und sanktionierten den Belgier mit einer Zwei-Minuten-Zeitstrafe, was den Nachteil für Milon kaum adäquat kompensierte. Er versuchte noch alles, opferte eine Qualität für einen Bauern, um ein Ungleichgewicht in der Stellung zu erzeugen, musste aber letztlich entnervt in die Punkteteilung einwilligen, wonach die 2½: 3½- Niederlage perfekt war.

Auch Lorenz Drabke musste beim ½: 5½- Niederlage von SF Reichenstein gegen das weissrussische Spitzenteam von Vesnianka Gran eine weitere Niederlage gegen GM Ejgeny Podolchenko (2474) hinnehmen und blickt mit 2/7  auf eine verkorkste Turnierwoche zurück. Dagegen zeigte sich Markus Ragger im Team von Bosna Sarajevo mit einem abschließenden Remis gegen die schwedische Hoffnung Nils Grandelius (2536) für die Bundesliga gut gerüstet, da er gegen zahlreiche Spitzengroßmeister ungeschlagen blieb und am zweiten Brett solide 4/7 erreichte. Erfolgsgarant für die Bosnier war auch in der Schlussrunde gegen Lund wieder einmal Predrag Nikolic, der mit seinem Sieg gegen Jasmin Bejtovic (2424) auf glänzende 5½/7 mit einer Performance von 2722 kam und damit maßgeblich zum glänzenden 7. Platz von Bosna Sarajevo beitrug.

Die Solinger Bilanz fällt natürlich leicht getrübt aus, wobei in Mannschaftsturnieren mit Schweizer System das Ergebnis der Schlussrunden überproportional wichtig ist und die gesamte Turnierleistung etwas verfälscht darstellt. Dennoch waren zwei schwache Mannschaftsleistungen gegen Berlin und Ans zu viel, da auch kein echter Ausreißer mit einem Sieg über eine stärkere Mannschaft zu verzeichnen war. Dennoch hat unser Sextett die Woche im Rahmen der absoluten Weltklasse sehr genossen, wozu auch die exzellente Unterbringung und Rahmenbedingungen beitrugen, so dass Teamchef Andreas Peschel als Fazit aus Slowenien meldete: »Rogaska Slatina war definitiv eine Reise wert!«.

Alle Ergebnisse auf der Turnierseite.