Kevin Schröder rettet Sieg gegen Mülheim

FM Kevin Schröder
(Foto: Bernd Schröder)

Mit einem 5:3-Zittersieg gegen den SV Mülheim-Nord hat unser Bundesliga-Team am dritten Spieltag seine weiße Weste bewahrt. Lange Zeit schien alles auf einen knappen Erfolg hinauszulaufen, bevor ein Turmeinsteller von Jan Smeets den Mannschaftssieg in Frage stellte. Ausgerechnet der kurzfristig als Ersatz eingesprungene 18-jährige Kevin Schröder behielt jedoch beim Stand von 4:3 die Nerven und konnte seine schlechtere Stellung nach sechs Stunden nicht nur halten, sondern nach einem taktischen Versehen seines Gegners FM Amir Rezasade sogar noch gewinnen, und avancierte damit zum Matchwinner.

Erstmalig kamen wir dank unserem neuen Reisepartner Düsseldorfer SK trotz »Auswärtsspiel« in den Genuss einer sehr kurzen Anreise.  Der DSK sorgte bei seiner Heimpremiere in der sehr großen Aula des Humboldt-Gymnasiums für gute Spielbedingungen, die definitiv noch einige Zuschauer mehr verdient gehabt hätten.

In unserer Vorbereitung auf das Wochenende war diesmal Improvisationstalent gefragt, da unter der Woche Teamchef Alexander Naumann absagen musste, da er in der Apotheke unabkömmlich war. Letztlich wurde Jugendbrett Kevin Schröder als Ersatz aktiviert und Andreas Peschel übernahm kurzfristig das hierdurch freigewordene Brett in der 2. Bundesliga, wofür beiden noch einmal gedankt sei.

Die Mülheimer sind uns aus vielen Jahren als Reisepartner bestens bekannt, haben sich aber nach einigen Spielzeiten als absolute Spitzenmannschaft zuletzt aus finanziellen Gründen eher in Richtung Abstiegskampf orientieren müssen. Dabei setzen sie erfreulicherweise sehr stark auf regionale Kräfte aus dem Ruhrgebiet und den benachbarten Niederlanden und bauen um die beiden Korsettstangen Daniel Fridman und Daniel Hausrath immer wieder junge Talente in die Mannschaft ein. Vor zwei Wochen hatte das Team trotz fehlender Spitzenbretter eine gute Visitenkarte gegen die beiden Topteams aus Baden-Baden und Deizisau abgegeben, so dass wir durchaus mit Respekt in das NRW-Derby gingen.

Dies bestätigte sich auch im Kampfverlauf, der zunächst sehr ausgeglichen war.  Borki Predojevic wählte gegen die Caro-Kann-Verteidigung von GM Mihail Saltaev (2471) erneut die modische Abtauschvariante mit 4. Ld3, konnte gegen den Routinier aber außer einer leichten Schwächung der Bauernstruktur keine Vorteile erzielen und gab sich direkt nach dem Überschreiten der notwendigen 20-Züge-Marke mit einer Punkteteilung zufrieden.

Im symmetrischen Engländer zwischen GM Daniel Hausrath (2493) und Aryan Tari wäre es in der geschlossenen Struktur höchstens der Mülheimer Lokalmatador gewesen, der noch etwas hätte probieren können, so dass Aryan gegen den Remisschluss wenig einzuwenden hatte.

Für die Führung sorgte dann unser Topscorer Mads Andersen. Er erhielt gegen IM Patrick Zelbel (2439) in einem Katalanen eine angenehmere Position, so dass es Patrick mit einem Qualitätsopfer versuchte. Allerdings konnte Mads die schwarze Initiative mit präziser Verteidigung neutralisieren und erreichte nach dem Abtausch der Schwerfiguren ein gewonnenes Endspiel, in dem Schwarz nur noch die Aufgabe blieb.

Doch das einzig verbliebene Bundesliga-Team aus dem Ruhrgebiet kam wenig später am Spitzenbrett zum Ausgleich. GM David Navara (2733) hatte in der Partie gegen seinen langjährigen Teamkollegen beim tschechischen Serienmeister Novy Bor, Markus Ragger, auf ein Theorieduell verzichtet, so dass Markus bequem ausgleichen konnte und in einer komplizierten Position vermutlich bereits die leicht besseren Aussichten besaß, als ihm mit 21. … Db3 ein kapitaler Schnitzer unterlief, der nach dem taktischen Einschlag 22. Td7  eine ganze Figur kostete, die der Tscheche zum Sieg verwertete.

Noch vor der Zeitkontrolle endete dann die qualitativ wohl beste Partie des Kampfes. GM Daniel Fridman (2633) ist zweifellos einer der am schwersten zu schlagenden Spieler in Deutschland und hatte sich im Oktober bei seiner überragenden Olympiade und einer starken Vorstellung beim Isle-of-Man-Open in hervorragender Form präsentiert. So versuchte es Surya Shekhar Ganguly gegen die grundsolide russische Verteidigung mit einem Kreativkonzept, das ihm deutlich mehr Erfolg bescherte als Weltmeister Magnus Carlsen in der parallel laufenden 11. WM-Partie gegen Fabiano Caruana.

GM Surya Ganguly
(Foto: Guido Giotta)

Surya opferte im frühen Mittelspiel zwei Bauern, konnte dafür aber den schwarzen König in der Brettmitte halten und stellte Daniel fortlaufend vor schwierige Verteidigungsaufgaben. Der deutsche Nationalspieler investierte viel Bedenkzeit, konnte aber letztlich auch mit seinem Freibauern auf der a-Linie nicht mehr rechtzeitig genügend Gegenspiel gegen den weißen Königsangriff aufbauen. So erhöhte Surya mit seiner sicherlich bisher besten Partie im Solinger Dress auf 3:2.

Damit schien nach der Zeitkontrolle der Kampf entschieden, da unsere beiden Holländer Erwin L’Ami und Jan Smeets über klare Vorteile verfügten. Erwin  hatte mit Schwarz gegen GM Michael Feygin (2503) zwei Bauern am Königsflügel gewonnen und schien einem ungefährdeten Sieg entgegen zu steuern, als er kurz vor der Zeitnotphase das weiße Gegenspiel mit 32. De4+ und 33. Lc3 unterschätzte. So musste er beide Mehrbauern zurückgeben, erreichte aber mit der Zeitkontrolle ein Endspiel, das aufgrund der zur vollen Passivität verurteilten weißen Figuren ebenfalls gewonnen war.

Jan hatte mit Schwarz gegen IM Dr. Volkmar Dinstuhl (2375) kurz vor der Zeitkontrolle ebenfalls die Oberhand gewonnen und eine klare Gewinnstellung erreicht, ließ jedoch in chronischer Zeitnot einige gute Möglichkeiten aus und erreichte »nur« ein Schwerfigurenendspiel mit ungleichfarbigen Läufern und zwei Mehrbauern.  In der Folge fand er trotz immensem Bedenkzeitverbrauch keine überzeugende Gewinnführung, sondern wählte eine zum Abtausch der Läufer führende taktische Abwicklung, in der seine eigene Königsstellung jedoch ebenfalls empfindlich geschwächt wurde. Mit Blick auf die Position bei Erwin und seine eigene Zeitknappheit hätte Jan sich daher im Hinblick auf den Mannschaftssieg mit einem Remis zufrieden geben sollen, wich jedoch einem möglichen Dauerschach von Volkmar aus und stellte prompt einen Turm ein.

Zwei ebenso kapitale wie seltene Fehler wie die von Markus Ragger und Jan Smeets in nur einem Mannschaftskampf führen nahezu immer zu negativen Folgen für das Team. So sah es nun nach 5½ Stunden beim Stande von 4:3 ebenfalls aus, denn Kevin Schröder war in seiner Partie gegen FM Amir Rezasade (2351) die Kompensation für den in der Eröffnung geopferten Bauern schrittweise abhanden gekommen, und er kämpfte im Leichtfigurenendspiel um einen halben Zähler.

Beide Spieler lebten schließlich nur noch von ihrem 30-Sekunden-Inkrement, so dass die Nerven eine immer größere Rolle spielten. Unter dem Druck des Gewinnenmüssens vergab Amir seinen Vorteil und erlaubte Kevin eine Auffangstellung, bevor er schließlich sogar noch einen Bauern einstellte und das Endspiel dadurch noch zum Verlust verdarb.

Somit stand am Ende ein 5:3, das insgesamt vermutlich in Ordnung ging, aber nach diesem speziellen Kampfverlauf definitiv schmeichelhaft war.

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Rundenbericht der Schachbundesliga