Friedlicher Abschluss in Ohrid

Nach einem 3:3 gegen den isländischen Chess Club Bolungarvik haben wir den Europapokal mit dem ausgeglichenen Punktekonto von 7:7 Zählern und damit im Rahmen unserer Erwartungen auf dem 29. Rang abgeschlossen. Gerne hätten wir unser Ergebnis von 2006 wiederholt, als 8 Zähler erzielt wurden. Die Chancen dazu standen nicht auch nicht schlecht, da uns mit den Isländern ein nominell schwächeres Team zugelost worden war. Doch am heutigen Abschlusstag war parallel zu den Kontrahenten auf dem Schachbrett noch ein weiterer Gegner in Form der davoneilenden Zeit vorhanden, um noch rechtzeitig den Flughafen in Skopje zu erreichen.

Durch ein Missverständnis bei der Absprache mit den Organisatoren im Vorfeld der Veranstaltung hatten wir nämlich noch einen Samstag-Abend-Rückflug gebucht, der jedoch nach den Erfahrungen der Anreise nur zu erreichen war, wenn wir die letzte Runde in 3 Stunden beenden würden. Demnach kam es uns durchaus gelegen, dass unsere isländischen Gegner ebenfalls friedfertig gestimmt waren. So offerierten die beiden IM Jon Viktor Gunnarsson (2462) und IM Bragi Thorfinsson (2360) frühzeitig in ihren Weiß-Partien gegen Michael Hoffmann und Thomas Michalczak die Punkteteilung.

Auf der anderen Seite waren die beiden hinteren Bretter Gudmundur Halldorsson (2229) und Stefan Arnalds (2002) sehr froh darüber, dass in Anbetracht der geschilderten Umstände die nominell deutlich überlegenen Milon Gupta und Andreas Peschel ebenfalls mit einem Remis einverstanden waren.

Jörg Wegerle übte mit seinem Gegner IM Dagur Arngrimsson (2396) eine lange Theorie-Variante in der slawischen Abtauschvariante, die erfahrungsgemäß auch nicht zu viele Spannungselemente enthielt. So blieb zum Schluss nur noch Oliver Kniest übrig, der seinen Gegner Gudmundur Gislason (2348) mit der finalen Remisofferte besonders glücklich machte, da dieser damit seine zweite IM-Norm erfüllte.

Als Fazit bleibt festzuhalten, dass wir mannschaftlich das Soll absolut erfüllt haben und uns dabei als Meister der Effizienz erwiesen, wie ein Blick auf unser Brettpunktekonto von -10 erahnen lässt. Auf der anderen Seite muss auch berücksichtigt werden, dass wir mit Baden Baden und Moskau zwei absolute Topteams, aber keine nominell eindeutig unterlegene Mannschaft als Gegner hatten.

Michael Hoffmann sorgte als einziger Profi im Team erwartungsgemäß für die schachlichen Highlights, da er auch gegen absolute Weltklassespieler wie Boris Gelfand oder Sergey Movsesian stets volles Risiko ging anstatt zu versuchen, mit kontrollierter Offensive Remisen abzuklammern. Zudem ist er bekanntlich niemals um einen flotten Spruch verlegen und damit ein wichtiger Stimmungsfaktor in der Mannschaft.

Jörg Wegerle hatte erkennbar nicht seine beste Woche erwischt und zudem das Pech, gegen Topleute wie Etienne Bacrot und Sergey Karjakin immer Schwarz zu haben. Dennoch zeigte er auch diesmal insbesondere in den engen Kämpfen seine enorme Zähigkeit, die uns unter anderem  den wichtigen Sieg gegen Borgerhout bescherte.

Thomas Michalczak litt als glänzender Theoretiker diesmal darunter, dass gegen seine starke Gegnerschaft (4 GM, 2 IM) kaum eine Vorbereitung aufs Brett kam, setzte aber in der vorletzten Runde dafür ein Glanzlicht mit seinem nach verpatzter Eröffnung toll erkämpften Remis gegen Fabiano Caruana.

Auch Oliver Kniest konnte seine gute Form aus den Sommerturnieren leider nicht nach Ohrid retten, verteilte seine Niederlagen aber wenigstens auf die klar verlorenen Kämpfe und punktete dann, wenn es für die Mannschaft wichtig war.

Ein glänzendes Comeback bei seinem ersten Turnier seit fast einem Jahrzehnt feierte dagegen unser Last-Minute-Joker Milon Gupta. Bereits bei  der Niederlage gegen Baden Baden machte er von allen Solingern die beste Figur und steigerte sich im weiteren Turnierverlauf kontinuierlich. So blieb er ungeschlagen und hatte sein persönliches Highlight beim Remis gegen Evgenij Najer.

Andreas Peschel litt in der ersten Turnierhälfte unter seiner mangelhaften Chancenverwertung, lieferte dann aber gegen Shakkikerho und Calder zwei Big Points  zu den wichtigen  3½-Siegen ab und avancierte damit zusammen mit Michael Hoffmann zum Torschützenkönig.

FAZIT:  Obwohl aufgrund von personellen Engpässen diesmal eine reine Amateurmannschaft am Start war, konnte wie vor drei Jahren als drittbeste Bundesliga-Mannschaft ein ordentliches Ergebnis erzielt und im malerischen Ohrid eine schöne Woche inmitten der geballten Schach-Weltklasse verbracht werden. Insofern wünschen wir unserem Bundesliga-Team viel Erfolg in der kommenden Saison und sind dann vielleicht im nächsten Jahr mit einer etwas stärkeren Mannschaft wieder dabei!

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