Bittere Niederlage gegen Sautron

Der Mittwoch begann für unser Europacup-Team mit einer unangenehmen Überraschung. Durch eine Baustelle an den Rohrleitungen direkt vor unserem Hotel war ab ca. 8.00 Uhr überraschend das Wasser abgestellt worden, was beim Betätigen der Dusche für wenig Begeisterung sorgte …  Zwar wurde diese missliche Situation im Laufe des Vormittags behoben, dennoch hatte diese Szene irgendwie symbolischen Charakter für den weiteren Tagesverlauf, denn knapp 12 Stunden später befand sich unser Mannschafts-Punktekonto am Ende des Tages ebenfalls »auf dem Trockenen«…

Trotz einer komfortablen 2:0 Führung dank zweier hervorragend herausgespielter Siege von Andreas Peschel und Thomas Michalczak und ordentlicher Positionen an den verbleibenden Brettern stand schließlich nach mehreren verdorbenen Stellungen eine völlig überflüssige 2½:3½-Niederlage gegen die junge französische Mannschaft aus Sautron.

Das Duell gegen die Franzosen war bereits unsere zweite Begegnung gegen einen direkten Setzlistennachbarn. Nachdem wir uns vor zwei Tagen gegen Apeldoorn sehr schwach präsentiert hatten, wollten wir heute unsere leichte nominelle Favoritenstellung zu einem Erfolg nutzen. Dabei verliefen die ersten drei Stunden absolut wunschgemäß:  Andreas Peschel  zeigte gegen Aurelien Gallant (2124) seine mit Abstand beste Turnierleistung und nutzte in einer semislawischen Nebenvariante die schwarzen Ungenauigkeiten so mustergültig aus, dass er bereits nach 21 Zügen mit einem hübschen Mattangriff den vollen Zähler einfahren konnte.

Die gleiche Zugzahl benötigte mit den schwarzen Steinen Thomas Michalczak, um wenig später auf 2:0 zu erhöhen. Gegen FM Alban Delorme (2283), der ihn mit der seltenen Veresov-Eröffnung überrascht hatte, präsentierte sich Tom in glänzender Spiellaune und zeigte gegen die viel zu optimistische weiße Spielanlage inklusive langer Rochade eine herrliche, mit diversen Opfern garnierte, Angriffspartie. Da auch an den anderen vier Brettern kein Solinger ernsthafte Probleme besaß, konnten wir sehr optimistisch sein, unser Mannschaftspunktekonto wieder ausgleichen zu können. Doch es sollte ganz anders kommen:

Zunächst verlor unser bisheriger Topscorer Markus Schäfer die Kontrolle über die Stellung. Er hatte gegen die aus einem Paulsen-Sizilianer entstandene Igel-Struktur von IM Nicolas Tripoteau (2363) einen gesunden weißen Aufbau gewählt, als er mit dem »Normalzug« 19. Lc3 den alles andere als offensichtlichen, aber extrem starken Konter f5 ermöglichte. Danach fanden sich plötzlich die weißen Figuren auf schlechten Feldern wieder und das harmonische schwarze Konterspiel gewann immer stärkere Kraft, bis die weiße Stellung nicht mehr zu halten war.

Die Zeitnotphase ließ den Kampf dann endgültig zu unseren Ungunsten kippen:  Oliver Kniest hatte gegen Yannis Aubry (2184) aus der Eröffnung heraus Vorteil besessen und versuchte diesen, mit Hilfe seines Läuferpaares zum Sieg zu verdichten. Leider fand er bei knapper Bedenkzeit nicht die beste technische Umsetzung, so dass sich der Franzose mit erfindungsreicher aktiver Verteidigung behaupten konnten und die Partie im Remishafen versandete. Parallel unterliefen Milon Gupta, der als Schwarzer im schottischen Vierspringerspiel eine völlig ausgeglichene Position gegen Baptiste Sorin (2183) gehabt hatte, in Zeitnot gleich zwei gravierende Rechenfehler, die ihn in einem hoffnungslosen Endspiel zurückließen, das er wenig später zum Ausgleich für die Franzosen aufgeben musste.

Zu allem Übel hatte sich auch unser zuverlässiger Torwart Jörg Wegerle von der um sich greifenden Verunsicherung anstecken lassen. Gegen den polnischen IM Rafal Lubczynski (2432) hatte er aus einer kompakten Struktur des Schlechter-Slawen eine nur mikroskopisch schlechteres Turmendspiel mit Springer gegen Läufer erreicht, als er sich in Zeitnot zu zwei zweifelhaften Zügen trotz schlechtem Bauchgefühl  hinreißen ließ, wobei insbesondere der 40. Zug … f6 ein schwerwiegendes Zugeständnis war. Dies ermöglichte dem Polen den Übergang in ein deutlich besseres Turmendspiel, das Jörg trotz hartnäckiger Gegenwehr schließlich nach etwas über 5 Stunden aufgeben musste, so dass die bittere 2½:3½-Niederlage perfekt war.

In Anbetracht der Kampfverlaufes und der enttäuschenden Halbzeitbilanz von 2:6 Zählern mussten am Abend natürlich besondere Maßnahmen ergriffen werden. Auf dem Rückweg vom Turnierhotel zu unserem Hotel begegnen wir nahezu gegen Abend der dreiköpfigen chinesischen Delegation in Gestalt von Weltmeisterin Hou Yifan, ihrer Mutter und dem männlichen Topspieler Wang Hao, die in der Regel deutlich vor uns zwei volle Zähler erzielt haben und dann statt des offenbar eher durchschnittlichen Essens im offiziellen Spielerhotel eines der beiden hier residierenden chinesischen Restaurants für das Abendessen bevorzugen. Nachdem sie uns gestern wieder nach einem offenbar gelungenen Dinner bester Laune entgegen kamen, beschloß der Mannschaftsrat, von unseren traditionellen meditteranen kulinarischen Optionen eine Pause einzulegen und es ebenfalls beim Chinesen zu versuchen.

Wir werden – beginnend mit dem Kampf gegen Edinburgh – versuchen, die Prophezeiungen und weisen Ratschläge unserer Glückskekse in eine deutlich bessere zweite Turnierhälfte umzusetzen!

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