Frustabbau gegen Edinburgh

Vor dem Kampf gegen Edinburgh
Vor dem Kampf gegen Edinburgh

Nach dem bitteren gestrigen Kampfverlauf wurde heute Vormittag eine Schach-Pause eingelegt, und wir machten unserem Ruf als »Urlauber« endlich einmal alle Ehre. Statt intensiver Vorbereitung standen Sightseeing bei einem Ausflug nach Lindos sowie ausgiebiges Schwimmen im noch immer herrlich warmen und klaren Mittelmeer auf dem Programm. Diese Abwechslung verfehlte ihre Wirkung offenbar nicht, denn am Nachmittag wurde die Pflichtaufgabe gegen Edinburgh West souverän mit 5½:½ bewältigt. Dabei brachten uns erneut Tom Michalczak und Andreas Peschel auf die Siegerstraße. Beide dürfen sich damit über einen Hattrick in den letzten 3 Runden freuen.

Selbstverständlich waren wir gegen die Bravehearts, die ungefähr dem Niveau einer deutschen Regionalliga-Mannschaft entsprechen, klarer Favorit, doch insbesondere nach unseren suboptimalen Resultaten der letzten Tage können solche Aufgaben relativ undankbar sein. Insofern setzte unser Spitzenbrett Jörg Wegerle gleich ein sichtbares Zeichen, dass wir kämpferisch für einen starken Schlussspurt eingestellt sind, indem er mit Piraten-Kopftuch antrat. Ob dieses modische Accessoire im Rahmen des hier gültigen ECU-Dresscode zulässig ist, konnte bisher nicht abschließend geklärt werden, aber der Schiedsrichter sah keinen Grund zum Einschreiten und Jörgs Gegner Jonathan Grant (2236) zeigte sich durchaus ein wenig beeindruckt.

Die ersten schachlichen Ausrufezeichen setzten dann die beiden Sieger von gestern.  Thomas Michalczak verzichtete gegen die Berliner Verteidigung im Spanier von George Neave (2151) auf das bekannte langwierige Endspiel, sondern wählte einen interessanten Aufbau mit d3 und b3, der bereits häufig von Luke McShane gespielt wurde. Er erreichte eine leicht vorteilhafte und sehr angenehme Stellung, als sein schottischer Kontrahent, der zuvor bereits seinen Königsflügel empfindlich geschwächt hatte, noch ein weißes Figurenopfer zuließ, das schnell zu gewinnbringendem Angriff führte.

Kurze Zeit später konnte Andreas Peschel mit Schwarz gegen Alistair Campbell (2007) die Führung ausbauen. Diesmal wählte er selbst den Sniper, gegen den er vor zwei Tagen eine völlig irrationale Partie gewonnen hatte. Sein Gegner baute sich mit Weiß viel zu zahm auf, so dass Andreas bald eine nimzo-indische Traumstruktur auf dem Brett hatte, aus der zunächst ein Bauerngewinn und wenig später auch ein voller Zähler resultierte.  Der dritte Sieg ging auf das Konto von Mannschaftsführer Oliver Kniest, der gegen das zahme Damenbauernspiel von Walter Buchanan (2122) eine dynamische Stellung erreichte, in der er nach zwei verfehlten weißen Zügen mittels taktischer Verwicklungen einen Bauern gewann und diesen Vorteil zum Sieg ummünzte.

Vor der Zeitkontrolle machte dann »Pirat« Jörg Wegerle auch auf dem Schachbrett Beute:  Jonathan Grant fühlte sich mit Schwarz in einem Trompowsky-Angriff so unwohl, dass er verzweifelt Gegenspiel zu initiieren versuchte, was aber gründlich daneben ging. Jörg kassierte den verzweifelt geopferten Bauern ein und behielt trotzdem alle Trümpfe der Stellung in der Hand, was letztlich den Siegtreffer zur Folge hatte.

Den halben Ehrenpunkt für Edinburgh holte verdient Neil Farrell (2147) gegen Markus Schäfer. In einem klassischen Sa6-Königsinder behielt der Schotte immer die Kontrolle über die sehr komplizierte Stellung und ließ sich auch von Markus’ bis ins Endspiel fortdauernden Gewinnversuchen bei bereits deutlich reduziertem Material nicht verunsichern, sondern fand die korrekten Varianten zum Remis. Der Schlusspunkt oblag zum dritten Mal Milon Gupta, der bisher immer siegreich war, wenn er die letzte Partie zu absolvieren hatte. Heute hatte er in seiner zweiten Weiß-Partie den zweiten Leningrader Holländer auf dem Brett. Nach seiner Niederlage gegen Apeldoorn hatte Milon die Variante nachbereitet, so dass sein heutiger Kontrahent Charles Curry es nur fast schaffte, völligen Ausgleich zu erzielen. Weiß behielt stets eine leichte Initiative und kurz vor der Zeitkontrolle konnte Milon nach eigenen schwarzen Ungenauigkeiten in ein klar besseres Turmendspiel überleiten, das er schließlich nach fünf Stunden zum 5½:½-Endstand verwertete.

Damit stehen wir nun bei 4:6 Zählern und wollen morgen im Duell mit der unberechenbaren albanischen Mannschaft von Butrinti endlich wieder ein ausgeglichenes Punktekonto erreichen.

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